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Saudi-Arabien und der UN-Sicherheitsrat

Riad lässt sich bitten

Analyse

Als erstes Land überhaupt verweigert Saudi-Arabien den ihm zustehenden Sitz im UN-Sicherheitsrat. Steckt dahinter politisches Kalkül oder die Furcht vor der diplomatischen Weltbühne?

Im Grunde handelt es sich um einen Routineakt, wenn die UN-Vollversammlung jährlich per Mehrheitsbeschluss fünf der zehn nichtständigen Sitze im UN-Sicherheitsrat vergibt. Die Deputierten aus 191 Staaten heben dazu kurz ihren Arm, zu besonderen Zwischenfällen kommt es dabei nie. Auch diesmal nicht, als das Königreich Saudi-Arabien am vergangenen Donnerstag, dem 17. Oktober 2013, mit 176 Stimmen neben Chile, Tschad, Litauen und Nigeria als nächstes nichtständiges Mitglied in das oberste Gremium der UN gewählt wurde.

 

Bis tags drauf Riad den auf zwei Jahre befristeten Sitz offiziell ablehnt. Nun scheiden sich im Nahen Osten die Geister an dieser Entscheidung. In erster Linie beruht die Entscheidung auf der Unzufriedenheit mit der Arbeitsweise und Zusammensetzung des obersten UN-Gremiums. In seiner jetzigen Form sei der Sicherheitsrat unfähig Konflikte zu lösen. Außerdem kritisierte das saudische Außenministerium die vorgebliche Doppelmoral des aus 15 Nationen bestehenden Rates.

 

In einer von Al-Jazeera in Umlauf gebrachten Erklärung verkündete das Ministerium: »Darum hat Saudi-Arabien keine andere Wahl, als den Sitz im UN-Sicherheitsrat abzuweisen, bis dieser reformiert wird und die nötigen Mittel erhält, den Weltfrieden zu sichern.« Konkreter Auslöser ist das ständige Lavieren im Syrienkonflikt. Riad fordert ein konsequentes Vorgehen gegen das mit Iran verbündete Regime in Damaskus, fühlt sich von der Obama-Administration aber im Stich gelassen.

 

Mit der sich abzeichnenden Annäherung zwischen Washington und Teheran geht am Golf die Angst vor Zugeständnissen in der iranischen Nuklearfrage einher. Ein aus der Isolation tretender Iran könnte außerdem zu einem Erstarken der schiitischen Opposition am Golf führen.

 

Für und Wider entzweit die arabische Welt

 

Welche »Mittel zum Friedenserhalt« der saudischen Monarchie konkret vorschweben, hat sie der Weltöffentlichkeit im März 2011 demonstriert. Damals entsandte Saudi-Arabien 1000 Soldaten und 30 Panzer in den kleinen Nachbarstaat Bahrain, um der sunnitischen Herrscherfamilie von Hamad Bin Isa Al-Khalifa gegen die von der schiitischen Bevölkerungsmehrheit angeführten Proteste beizustehen.

 

Prompt meldete sich Bahrains Staatssekretär für Auswärtige Angelegenheiten, Ghanim al-Buainain, nun als erster Gratulant zu Wort: »Wir unterstützen den mutigen Schritt Saudi-Arabiens. Der Standpunkt vieler Länder kommt darin zum Ausdruck.« Ähnlich äußerte sich der ägyptische Außenminister Nabil Fahmy in einer Stellungnahme. Mit seiner Äußerung, es sei Riads gutes Recht, gegen den Sicherheitsrat zu protestieren, setzte sich der ebenfalls in Kairo residierende Generalsekretär der Arabischen Liga, Nabil Elaraby, an die Spitze des Unterstützerchors.

 

Mit ähnlichen Aussagen stimmten die mit Saudi-Arabien verbündeten Staaten des Golfkooperationsrates – Katar, die Vereinigten Arabischen Emirate und Kuwait – ein. Mit honigsüßen Worten versuchten indes die restlichen Vertreter der Arabischen Gruppe bei den Vereinten Nationen an das saudische Verantwortungsbewusstsein zu appellieren: »Wir hoffen, dass Saudi-Arabien als das gesegnete Land, welches die arabische und islamische Welt in dieser wichtigen und historischen Phase repräsentiert, seine Mitgliedschaft im Sicherheitsrat aufrechterhalten wird.« Die Gruppe wünsche sich, dass das Königreich weiterhin ihre Belange gerade auf der Bühne des Rates verteidigen werde.

 

Saudi-Arabien: Streiter für die »arabische Sache«?

 

Dabei stellt sich unvermittelt die Frage, inwieweit sich das saudische Königshaus jemals für die arabische Sache engagierte und ob Riad überhaupt an einer Bühnenrolle auf diplomatischem Parkett interessiert ist. Denn gerade im Hinblick auf sein außenpolitisches Engagement fällt auf, dass das saudische Königreich international wie regional meist verdeckt und auf eigene Faust agiert.

 

So sprangen die Saudis der ägyptischen Militärjunta mit einem Milliardenkredit zur Hilfe, als Washington die militärische Finanzhilfe in Reaktion auf den Sturz Muhammed Mursis einfror. Im syrischen Bürgerkrieg finanziert die Golfmonarchie das Oppositionslager und liefert der »Freien Syrischen Armee« Waffen – in beiden Fällen prescht Saudi-Arabien auch vor, um die Ambitionen des Golf-Nachbarn Katar in Grenzen zu halten. Immer geht es dabei um die ureigenen Interessen der Dynastie der Al Saud.

 

In Syrien wünscht man sich, das schiitische Bündnis von Hizbullah, Assad und Iran zu schwächen; in Ägypten die auch auf der arabischen Halbinsel aktiven Muslimbrüder von der Macht fernzuhalten. Die Golfstaaten sehen die Revolutionen und Volksaufstände in der arabischen Welt aber zudem als potentielle Bedrohung der Stabilität auch in ihren Staaten. Neben Militärhilfen und Finanzspritzen investiert das saudische Außenministerium mit Prinz Saud al-Faisal an der Spitze außerdem Millionen in den Bau von Koranschulen und Moscheen – mittlerweile verstärkt in den Ländern Nordafrikas.

 

Über diese ideologische Entwicklungsförderung fasst die strikte Glaubensrichtung der saudischen Wahhabiten immer mehr Fuß – mit dem sichtbaren Ergebnis, dass salafistische Gruppierungen von Tunis bis auf den Sinai den Demokratisierungsprozess torpedieren. Am 21. Oktober versuchte US-Außenminister John Kerry, seinem Amtskollegen Saud al-Faisal beim Lunch die Mitgliedschaft im Sicherheitsrat doch noch schmackhaft zu machen.

 

»Ein Sitz bietet die Möglichkeit, sich direkt einzusetzen«, verkündete ein US-Sprecher im Anschluss. Saudische Offizielle hielten sich hingegen bis auf Weiteres bedeckt. Einen neuerlichen Schritt auf die diplomatische Weltbühne hat die saudische UN-Vertretung in New York indes bereits angekündigt. Man bewerbe sich für einen Platz im Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen. Um es mit dem Titel des jüngsten Amnesty-Berichts zu Saudi-Arabien zu sagen: Ein weiteres »unerfülltes Versprechen«?

Von: 
Ruben Schenzle

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