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Präsidentschafswahlent auf den Malediven

Sieg der Strippenzieher

Analyse
von A.S.

Hauchdünn setzt sich Abdullah Yemen im Kampf um die Präsidentschaft auf den Malediven durch. Bei den Stichwahlen profitiert er von der Unterstützung eines Kontrahenten – und bringt seine Familie nach fünf Jahren zurück an die Macht.

Mit denkbar knappen 51 Prozent der abgegebenen Stimmen in der Stichwahl ist der Geschäftsmann und Politiker Abdullah Yemen am 16. November zum neuen Präsidenten der Malediven gewählt worden. Der Abstand zum Ergebnis des unterlegenen Mohamed Nasheed betrug nur rund 6.000 Stimmen, die Wahlbeteiligung lag bei über 90 Prozent. Das endgültige Wahlergebnis ist noch nicht bekanntgegeben worden, dennoch hat Yemen bereits am Sonntag, dem 17. November, den Amtseid abgelegt und die ersten Minister ernannt.

 

Die schnelle Amtseinführung hat ein kurzfristiges Interregnum auf den Malediven beendet und wieder stabile politische Verhältnisse herbeigeführt. Angesichts der vorangegangenen, monatelangen Verzögerungen und Wiederholungen der Präsidentschaftswahl hinterlässt der Machtwechsel allerdings einen etwas schalen Beigeschmack. Abdullah Yemen ist ein Halbbruder des von 1978 bis 2008 regierenden Autokraten Mohammon Abdul Gayoom und hat während dessen Herrschaft eine Vielzahl lukrativer Geschäfte betrieben.

 

Die zunehmende Unzufriedenheit mit der Amtsführung Gayooms führte nach der Jahrtausendwende zum Erstarken einer Oppositions- und Protestbewegung, auf deren Druck Gayoom sich zur Einführung einer parlamentarischen Demokratie im Jahr 2008 genötigt sah. Bei den Präsidentschaftswahlen im selben Jahr unterlag er gegen Mohamed Nasheed, einem Anführer dieser Oppositionsbewegung.

 

Nach seiner Wahl bemühte sich Nasheed nicht nur um Reformen in Verwaltung und Justiz, sondern auch um eine Aufarbeitung der Elitenkorruption unter der Herrschaft Gayooms. Unter anderem wurde Anklagen gegen den Geschäftsmann Qasim Ibrahim sowie Gayooms Halbbruder Yemen erhoben, welcher eine staatliche Ölfirma für lukrative Privatgeschäfte mit der burmesischen Junta genutzt haben sollte. Als der vorsitzende Richter das Verfahren verschleppte, ließ Nasheed diesen ohne gerichtlichen Beschluss festsetzen.

 

Formaljuristische Tricks zogen die Entscheidung um die Präsidentschaft in die Länge

 

Solch ein undemokratisches Vorgehen schadete der Popularität des Präsidenten und ließ einige seiner Unterstützer von ihm abrücken. Es formierte sich eine Oppositionsbewegung, welche die Amtsführung Nasheeds als »anti-islamisch« und »pro-westlich« brandmarkte. Vor allem der Vorwurf des Anti-Islamismus wog schwer in einem Land, dessen Staatsbürgerschaft an das Bekenntnis zum islamischen Glauben geknüpft ist. Im Jahr 2011 revoltierten Teile der Polizei und des Militärs, Nasheeds musste daraufhin abdanken. (Er selbst sprach später von einem Putsch.)

 

Die Regierungsführung wurde seinem Vize Mohamed Waheed übernommen, der Neuwahlen bis zum Herbst 2013 ankündigte. Unterstützt wurde Waheed durch Ex-Präsident Gayoom. Nicht wenige vermuteten den langjährigen Autokraten als Strippenzieher hinter jener dubiosen Revolte, die zu Nasheeds Rücktritt geführt hatte. Die Präsidentschaftswahlen im September 2013 spitzten sich in einer Stichwahl zwischen Nasheed und dessen politischem Gegner Yemen zu.

 

Doch die fiel aus, da die erste Runde der Präsidentschaftswahlen nach einer Beschwerde Yemens und des ebenfalls angetretenen Ibrahim vom Obersten Gerichtshof annulliert wurde. Die Wiederholung wurde für den 19. Oktober angekündigt, jedoch durch einen formaljuristischen Trick Yemens und Ibrahims auf den 9. November verschoben. Bei den Wahlen am 9. November erhielt Nasheed 46,9 Prozent der abgegebenen Stimmen, Yemen 29,7 Prozent und Ibrahim 23,3 Prozent.

 

Die Stichwahl zwischen Nasheed und Yemen wurde auf den 16. November festgesetzt. Da die Amtszeit des Übergangspräsidenten Waheed bereits am 11. November ablief, gab er die Regierungsführung auf internationalen Druck zu diesem Termin an den Sprecher des Parlaments ab.

 

Nasheeds Kontrahenten setzten im Wahlkampf auf religiöse Rhetorik

 

Die Stichwahl am 16. November gewann Yemen knapp. »Transparency Maldives« beurteilte die Wahlen als fair, auch wenn vereinzelt Vorwürfe des Stimmenkaufs laut wurden. Noch am Wahltag gratulierte Nasheed seinem Konkurrenten Yemen zum Sieg. Glückwünsche gingen auch aus Indien und den USA ein. Großbritannien, Kanada und das Commonwealth hingegen gratulierten allein »dem maledivischen Volk zu den fairen und freien Wahlen«.

 

Bereits am nächsten Tag legte Yemen den Amtseid ab und stellte die ersten fünf Kabinettsmitglieder vor. Vier von ihnen hatten ihre Ministerposten bereits unter Übergangspräsident Waheed inne. Den einzigen Neuzugang stellte Dunya Maumoon dar – die Tochter Gayooms übernahm das Außenministerium. Die politische Macht konzentriert sich damit bei Verwandten des 2008 abgewählten Autokraten Gayoom.

 

Den Wahlsieg verdankt der neue Präsident jedoch vor allem der Wahlempfehlung Ibrahims, der seine Anhänger vor der Stichwahl zur Unterstützung Yemens aufgerufen hatte. Dass die beiden Geschäftsleute sich überhaupt als Konkurrenten zu Nasheed profilieren konnten, ist auf ihre erfolgreiche Nutzung religiöser Rhetorik im Wahlkampf zurückzuführen. Stets hatten sie Nasheed säkularer Tendenzen bezichtigt und als Bedrohung der islamischen Staatsreligion dargestellt.

 

Dass ausgerechnet Ibrahim mit diesen Vorwürfen punkten konnte, erstaunt, denn schließlich handelt es sich bei dem Betreiber mehrere Touristen-Ressorts um den größten Alkohol-Importeur der Malediven. Ihrer religiösen Rhetorik blieben Nasheeds Gegner auch bei der offiziellen Pressekonferenz nach den Wahlen trau. Während Nasheed seinem Opponenten Yemen gratulierte und das Ergebnis akzeptierte, dankte Gayoom Gott dafür, während Yemen seinen Sieg als gottgewollt und einen »Sieg für Allah und den Islam« bezeichnete.

 

Die Anliegen der Protestbewegung bleiben dieselben – auch wenn sie sich nicht mehr bedingungslos hinter Nasheed stellt

 

Am 18. November nahm das Parlament seine Arbeit wieder auf und setzte die Budgetdebatte fort. Ob die Stabilisierung der politischen Verhältnisse zu einer Verbesserung für die maledivische Bevölkerung führt, bleibt abzuwarten. Unter der Übergangsregierung Waheeds stagnierten die Reformen. Auf den entlegeneren Inseln herrscht Armut, während die Mittelschicht in Malé eine politische und wirtschaftliche Partizipation sowie soziale Absicherung erstrebt.

 

Dies motivierte jene von Nasheed angeführte Protestbewegung, welche die Herrschaft Gayooms beendete und die Demokratisierung der Malediven einleitete. Inzwischen hat der Kreis um Gayoom die demokratischen Spielregeln anerkannt und bei diesen Wahlen bis an die Schmerzgrenze ausgereizt, die politische Macht jedoch wieder in den Händen. Allerdings fiel der Wahlsieg knapp aus und Yemen steht vor der Aufgabe, die geschmiedete Koalition aufrecht zu erhalten.

 

Nicht zuletzt, da im nächsten Jahr Parlamentswahlen anstehen und die Anliegen der Protestbewegung dieselben bleiben, auch wenn diese in den zermürbenden Jahren seit 2011 etwas Schwung verloren hat. Allerdings sind geschlossene Reihen innerhalb von Nasheeds Partei MDP (die aus der Protestbewegung hervorging) ebenfalls keine Selbstverständlichkeit. Denn nicht alle ihre Mitglieder wollen die Partei als willfährigen Wahlverein von Ex-Präsident Nasheed sehen.

Von: 
A.S.

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