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Oslo-Abkommen und Nahost-Friedensprozess

Kein Frieden, nirgends

Kommentar

Zwanzig Jahre nach dem Oslo-Abkommen sind die Fronten zwischen Israelis und Palästinensen verhärtet wie nie und die Aussicht auf Frieden in weite Ferne gerückt. Jitzchak Rabin würde sich im Grabe umdrehen, meint Dominik Peters.

»Jerusalem«, so schrieb Arnold Zweig 1932, sei »ineinandergeschachtelt wie ein Geduldsspiel«. Nun, nach einem Sommer voller Hass, Gewalt und Mord, ist es – wieder einmal – vorbei mit der Geduld. Auf beiden Seiten. Von Akko bis Aschkelon wird nach harten Händen und eisernen Fäusten gerufen. Ausgangssperren und Straßenblockaden, Festnahmen und Häuserzerstörungen sind die Folge.

 

Eine Kollektivstrafe, die das Leben zwischen Ramallah und Nablus zu einem Leben im anhaltenden Ausnahmezustand macht. Es wird fraglos ein heißer Herbst werden. Von Eilat bis Ein Harod wird aber auch nach einem Ende der Besatzung gerufen. Israel ist und bleibt die einzige Demokratie im Nahen Osten, Stimmen aller politischen Lager sind zu hören. Den Konflikt löst das freilich trotzdem nicht.

 

Denn: Die Weltgemeinschaft ist anderweitig beschäftigt. Der brutale Bürgerkrieg in Syrien stellt alles in den Schatten. Weder Barack Obama noch Wladimir Putin haben die Lage zwischen Mittelmeer und Jordan in ihren Reden vor den Vereinten Nationen in der vergangenen Woche wenigstens gestreift. Die Welt ist müde von diesem ewigen Konflikt.

 

Jizchak Rabin erklärte in den späten 1970er Jahren als Oppositionspolitiker im Zuge der von Menachem Begin geführten Friedensverhandlungen mit Ägypten, bei denen es keineswegs nur um die Rückgabe der 1967 eroberten Sinai-Halbinsel ging, sondern auch um eine Autonomie für die Palästinenser, dass man ebendiese Frage nicht antasten sollte – für mindestens fünf Jahre. Der Grund: Es gebe nicht den Hauch einer Chance für eine Lösung.

 

In den Augen des Real-Politikers Rabin war die Kluft weiland zu groß. Dann, Anfang der 1990er Jahre, versuchte er es – und wurde erschossen. Nun, fast 40 Jahre nach dem Abkommen von Camp David und mehr als 20 Jahre nach »Oslo I«, ist der Status der Palästinenser immer noch ungeklärt. Die Kluft ist noch größer geworden.

 

Ein Blick auf die Landkarte macht indes jedem Blinden deutlich, dass ein Staat Palästina – zumindest nach den bislang bekannten Kriterien eines Nationalstaates – nicht entstehen wird, nicht entstehen kann. Juval Diskin, seines Zeichens meinungsfreudiger Freigeist und ehemaliger Direktor des Inlandsgeheimdienstes »Schin Bet«, hat das, was in Palästina geschieht, jüngst als Etablierung von »Schtei Medinot Jehudiot« (zu Deutsch: »zwei jüdischen Staaten«) bezeichnet.

 

Gegen die Besatzung und die Besiedlung wehrt sich nun die eine neue Generation palästinensischer Männer. In der Tradition ihrer (Groß-)väter »erheben« sie sich, wollen Israel »loswerden« und »abschütteln«. Dieser Versuch eine »Dritte Intifada« zu starten ist brandgefährlich – und angesichts der Kräfteverhältnisse zum Scheitern verurteilt. So steht bereits heute fest: Kein Frieden, nirgends. Für mindestens fünf Jahre. Die Kluft ist gigantisch geworden. Und Jizchak Rabin dreht sich im Grabe um.

Von: 
Dominik Peters

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