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Mitbegründer von »Peace Now«

Ein Mann für Fastfood und Frieden

Portrait

Omri Padan war Elitesoldat, Mitbegründer von »Peace Now« und ist heute Besitzer aller Franchisefilialen des Fastfood-Giganten McDonald’s in Israel – und will keine Dependance jenseits der »Grünen Linie« eröffnen.

»Geht es dem Zionismus um Freiheit oder um Gebietsansprüche? Ist sein Ziel die Selbstbestimmung oder die Rückgewinnung des Landes der Vorväter?« Diese Fragen stellte der Politikwissenschaftler Gadi Taub im Oktober 2010 in einem Gastbeitrag für die deutsche Wochenzeitung Die Zeit. Die Antwort lieferte er gleich mit: Das Ziel des Zionismus sei das universelle Recht auf individuelle Selbstbestimmung. Zwar habe bereits der geistige Vater des Zionismus, Theodor Herzl, erkannt, dass der Zionismus ohne Zion nicht auskommen würde – die seit 1967 stattfindende israelische Besiedlung jenseits der »Grünen Linie« entspringe hingegen einem Geist, dessen Heimat der rechte (Gesellschafts-)Rand sei. Damit hatte er natürlich nicht ganz Recht. Die ersten Siedlungen – man schaue etwa auf Kfar Etzion – waren mit Genehmigung der arbeiterzionistischen Eliten errichtet worden. So verwunderte es nicht, dass Shelly Jachimovitch, gegenwärtig Oppositionsführerin in der Knesset, nach ihrer Wahl zur Vorsitzenden der Arbeiterpartei im Sommer 2011 in der Tageszeitung Haaretz erklärte, es sei die Arbeiterpartei, die die Siedlungsunternehmungen in den eroberten Gebieten von 1967 begonnen habe.

 

Kein Big Mäc in Ariel

 

Abseits der Frage, wie historische Tatsachen zu interpretieren sind, stellen die Siedlungen jenseits der »Grünen Linie« gegenwärtig eine der vielen Blockaden im Aussöhnungsprozess zwischen Israelis und Palästinensern da. Zumal die israelische Regierung stets nur über die Außenposten und kleinere Siedlungen zu verhandeln bereits ist, nicht aber über die strategischen Siedlungsblöcke, wie etwa Ma’ale Adumim – einer De-Facto-Trabantenstadt vor den Toren Jerusalems – oder Ariel. Ariel ist nun wieder in den Fokus der israelischen Öffentlichkeit gerückt. Bereits in den zurückliegenden Monaten hat es immer wieder Streit um den Status der dortigen Hochschule gegeben, weshalb momentan offiziell von einer »universitären Einrichtung« und nicht von einer »Universität« gesprochen wird. Nun geht es aber ans Eingemachte: In dem Siedlungsblock ist eine Shoppingmall im Entstehen und um die hungrigen Mäuler der Käufer zu stopfen, sollte dort eine McDonald’s-Filiale eröffnet werden.

 

Omri Padan – Ein überzeugter Linker

 

Die Betreiber des Einkaufszentrums hatten ihre Rechnung jedoch ohne Omri Padan gemacht, dem Besitzer aller Franchisefilialen des Fastfood-Giganten. Der hatte bereits vor Monaten erklärt, solange er am Steuer von McDonald’s in Israel stehe, werde nie eine Dependance jenseits der »Grünen Linie« eröffnet werden. Und er bleibt bei seiner Aussage. Verwundern sollte das einen nicht, blickt man auf die Vita des vierfachen Familienvaters. Unter Ministerpräsident Benjamin Netanjahu diente er in der Eliteeinheit »Sajeret Matkal« und studierte anschließend Wirtschaftswissenschaften sowie Mathematik an der Hebräischen Universität in Jerusalem, wo er auch promoviert wurde. Im Jahr 1978 gehörte Padan dann zu den Gründern von »Peace Now«. Der einstige Vorzeige-Militär gab sich als überzeugter Linker zu erkennen. 15 Jahre später erwarb er schließlich Franchiserechte für McDonald’s in Israel und eröffnete 1993 die erste Niederlassung in Ramat Gan. Heute gibt es im ganzen Land insgesamt 131 Filialen, die einen koscher, die anderen nicht – und an Pessach überall nur ungesäuertes Burgerbrot.

 

Wer darf am Schabbat an die Fritteuse?

 

Doch allzu viele Eingeständnisse will er gegenüber den Gottesfürchtigen im Land nicht machen. Bereits im Jahr 1996 hatte er sich mit dem damaligen Arbeits- und Wohlfahrtsminister, Eli Jischai, eine Debatte über die Einhaltung der Schabbatgesetzgebung geliefert. Jischai hatte eine Lücke im Jugendarbeitsgesetz genutzt, die es jüdischen Jugendlichen verbietet, am Schabbat als Aushilfen zu arbeiten, und ließ vor diesem Hintergrund seine Beamten in zahlreichen McDonald’s-Filialen Stichproben nehmen.

 

Das Ergebnis: McDonald’s hatte das Gesetz missachtet und bekam eine stattliche Geldstrafe aufgebrummt. Und Omri Padan? Der rief martialisch den »totalen Krieg« aus und ließ eine Anzeige in den großen Tageszeitungen des Landes schalten, in der davor gewarnt wurde, dass Israel »ein weiterer Iran« werde. Heute, im Jahr 2013, scheut er wiederum nicht die Auseinandersetzung mit den Siedlerorganisationen, die seine Entscheidung, keine Dependance in Ariel zu errichten, nicht nachvollziehen können, schließlich würden damit Israelis und Palästinenser gleichermaßen diskriminiert. Außerdem: Seit wann schert sich McDonald’s um politische Zustände? Schließlich kann man auch in Vorzeigedemokratien wie Aserbaidschan, Saudi-Arabien oder Weißrussland Big Mäc essen.

 

Auf den Punkt gebracht: Die Bewohner von Ariel, gleich welchen Glaubens oder Staatsangehörigkeit, werden sich künftig frittierte Kalorienbomben kaufen können. Dafür sorgt »Burgerranch« – Padans kleiner Rivale. Diese portugiesische Schnellrestaurantkette will, wie bereits in Maale Adumim, eine Niederlassung im geplanten Einkaufszentrum von Ariel eröffnen. Für heißes Fett ist also zwischen Mittelmeer und Jordan mittlerweile allerorten gesorgt. Omri Padan hat mit seiner kompromisslosen Haltung, keine McDonald’s-Filiale jenseits der »Grünen Linie« zu eröffnen Haltung gezeigt. Diese kann man teilen oder auch nicht. Fest steht aber in jedem Fall, dass damit – entgegen aller irreführenden Schuldzuweisungen – in Israel weiterhin gesellschaftliche Debatten über politische Themen tagtäglich möglich sind und diese, wie in Demokratien üblich, auch kontrovers geführt werden. Omri Padan kann sagen und machen, was er will, solange er im Rahmen des Gesetzes handelt. Dass ist das Lebenselixier und der Gesellschaftsvertrag demokratischer Staaten – und: Pacta sunt servanda.

Von: 
Dominik Peters

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