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Irakischer Ministerpräsident Nuri al-Maliki

Bemerkenswert bewegungslos

Portrait

Ministerpräsident Nuri al-Maliki hat den Irak in die volle Souveränität zurückgeführt. Für den Machterhalt nahm er jedoch politischen und wirtschaftlichen Stillstand in Kauf.

Durchhalten und aussitzen, egal wie – das scheint Motto und Ziel des irakischen Ministerpräsidenten Nuri al-Maliki zu sein. Bis Ende 2011 beispielsweise, als die letzten amerikanischen Truppen das Zweistromland verließen. Den Irak in die volle Souveränität zurückgeführt zu haben – Maliki präsentierte es als sein politisches Meisterstück. Ganz nebenbei übertünchte der Abzug die bemerkenswerte Bewegungslosigkeit seiner Regierung. 2009 stand die Koalition, die ihn 2006 ins Amt gehievt hatte, vor dem Aus.

 

Aus der eigentlichen Niederlage seiner schiitischen Dawa-Partei an der Wahlurne schmiedete der 61-jährige Schiit jedoch ein geradezu unmögliches Bündnis, das trotz aller Unkenrufe hielt. Maliki bewies sich als Meister in der Kunst der Reise-und Hinterzimmerdiplomatie und überraschte mit seiner Mischung aus Durchsetzungskraft und Taktieren – Fähigkeiten, die ihm während seiner ersten Amtszeit oft abgesprochen worden waren.

 

Dabei hat Maliki schon oft bewiesen, dass er ein politischer Überlebenskünstler ist, sonst wäre er erst gar nicht im Nachkriegs-Irak angelangt. Zuvor hatte er 24 Jahre im Exil verbracht, die meisten davon in Teheran und Damaskus. Dort koordinierte er den Kampf gegen das Baath-Regime, aber auch die Unterstützung für die libanesische Hizbullah. Eigentlich keine Musterbewerbung, dennoch schaffte es Maliki, die Regierung George W. Bushs zu überzeugen und Ministerpräsident zu werden.

 

»Ich spüre keinen Zeitdruck«

 

Die Vorwürfe seiner Gegner sind dementsprechend vielfältig: Für den schiitischen Jung-Mullah Muqtada al-Sadr ist er eine Marionette der Amerikaner, für Washington und die Saudis ein Strohmann des iranischen Regimes und für einige Kurden ein neuer Saddam Hussein. Einem wie Maliki scheint das nicht viel auszumachen. Besonders beliebt war er noch nie, so gefürchtet wie Saddam ist er allerdings längst nicht.

 

Für den Burgfrieden der irakischen Politik opferte Maliki demokratischen und wirtschaftlichen Fortschritt. Keines der großen Problemfelder – die prekäre Sicherheitslage, der ständige Zank über Öleinnahmen mit den teilautonomen Kurden im Norden, die miserable Infrastruktur – wurde wirklich angegangen. Die Quittung sollte er im Parlament kassieren, das ihn Mitte 2012 des Amtes entheben wollte. Doch Maliki spielte seine Gegner wieder einmal gegeneinander aus und hielt sich an der Spitze.

 

Der Premier pokert hoch. Der einstige Vizepremier Tariq al-Haschimi, der wichtigste sunnitische Politiker des Landes, ging ins Exil, weil Maliki drohte, ihn wegen Terrorismus vor Gericht zu stellen. Die Spannungen zwischen Sunniten und Schiiten haben so einen neuen Höhepunkt erreicht. Im Jahr eins nach dem amerikanischen Abzug verabschiedete die Regierung kein einziges wichtiges Gesetz, die konfessionell motivierte Gewalt dagegen nahm stetig zu. Der Irak hat unter Nuri al-Maliki weder politische Stabilität noch wirtschaftliche Prosperität erreicht. Die einzige Konstante bleibt er selbst.

Von: 
Robert Chatterjee

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